Utl.: ÖRAK-Präsident Benn-Ibler spricht von einem unnotwendigen Anschlag auf die österreichische Rechtsordnung
Der geplanten österreichischen Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie stellt der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) in seiner aktuellen Stellungnahme ein vernichtendes Zeugnis aus. „Was ursprünglich zur durchaus erstrebenswerten Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im europäischen Binnenmarkt beitragen sollte, kann nach Lektüre des vorliegenden Entwurfs nur als klare Themenverfehlung bezeichnet werden“, befindet ÖRAK-Präsident Dr. Gerhard Benn-Ibler. In einer völlig unnotwendigen Fleißaufgabe schießt der Gesetzgeber rekordverdächtig weit über das Ziel hinaus und greift dabei massiv zu Lasten des Bürgers tragende Säulen der heimischen Rechtsordnung an.
Im Brennpunkt der Kritik stehen vor allem jene Passagen, die nach Ansicht der Rechtsanwälte weit über die eigentlich erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen hinausgehen. In bestimmten Bereichen existieren nämlich längst sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene gut funktionierende Regelungen, die eine Verwirklichung des angestrebten Ziels schon jetzt problemlos gewährleisten. „Für die Rechtsanwälte ist die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit in der EU bereits seit geraumer Zeit Wirklichkeit“, so Benn-Ibler. Eine ganze Reihe von Regelungen stellen seit Jahren sicher, dass Anwälte ihre Dienstleistungen ungehindert grenzüberschreitend erbringen oder sich in einem anderen EU-Mitgliedstaat niederlassen können. „Die Rechtsanwälte waren also schon lange vor der Dienstleistungsrichtlinie der praktisch einzige Berufsstand, der sich Europa völlig geöffnet hat“, so Benn-Ibler, „und dies unter voller Aufrechterhaltung der anwaltlichen Unabhängigkeit“.
Dieser Tatsache wird, im Gegensatz zum nationalen Entwurf, auch von der Dienstleistungsrichtlinie selbst Rechnung getragen, indem spezifischen Aspekten in bereits jetzt geregelten Bereichen (wie eben dem der Rechtsanwälte) generell der Vorrang zugesprochen wird. „Nicht nur, dass für den nationalen Gesetzgeber demnach gar keine legistische Notwendigkeit besteht, bestimmte Bereiche neuerlich zu regeln, verfehlt er somit auch eindeutig die Vorgaben der Richtlinie“, zeigt sich Benn-Ibler darüber verärgert, dass auf die in der Richtlinie hervorgehobenen Ausnahmen bei der Umsetzung nicht Bedacht genommen wird. Dem nicht genug, schlagen jene ohnehin unnotwendigen Regelungen aufgrund ihres Inhalts dem rechtsstaatlichen Fass auch noch den Boden aus: Sind derzeit aus gutem Grund einzig und allein die Rechtsanwaltskammern als die für Aufnahme und Ausübung der Rechtsanwaltstätigkeit zuständige Behörde gesetzlich vorgesehen, so greift der Gesetzgeber nun unzulässigerweise in die verfassungsrechtlich festgelegte Autonomie der Rechtsanwaltskammern ein. Mittels einer geplanten Verfassungsbestimmung soll dem einfachen Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet werden, sich in die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches von Selbstverwaltungskörpern (also auch der Rechtsanwaltskammern) in unbeschränktem Maße einzumischen. „Ein verfassungswidriger Anschlag auf die anwaltliche Unabhängigkeit, der zu Lasten des Bürgerrechts auf einen unabhängigen Rechtsanwalt erfolgt“, findet Benn-Ibler deutliche Worte. „Sollte dieser Entwurf tatsächlich Gesetz werden, so muss man von einem Angriff auf unsere Rechtsordnung sprechen“, gibt sich der ÖRAK-Präsident kämpferisch, „die anwaltliche Unabhängigkeit muss außer Diskussion stehen!“
In Österreich gibt es 5400 Rechtsanwälte, rund siebzehn Prozent davon sind Frauen. Rechtsanwälte sind bestausgebildete und unabhängige Rechtsvertreter und -berater, die nur ihren Klienten verpflichtet und verantwortlich sind. Primäre Aufgabe ist der Schutz, die Verteidigung und die Durchsetzung der Rechte Einzelner. Dritten gegenüber sind Rechtsanwälte zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet, womit auch eine völlige Unabhängigkeit vom Staat gewährleistet wird. Vertreten werden die Rechtsanwälte durch die Rechtsanwaltskammern in den Bundesländern sowie durch den Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, ÖRAK, mit Sitz in Wien.
Rückfragehinweis:
Österreichischer Rechtsanwaltskammertag,
Bernhard Hruschka Bakk., Tel.: 01/535 12 75-15,
hruschka@oerak.at, www.rechtsanwaelte.at