Utl.: Justizministerin muss an der Spitze der Weisungskette stehen, Berichtswesen gegenüber dem Parlament gehört verbessert.
Anlässlich der aktuell geführten Diskussion über eine mögliche Abschaffung des Weisungsrechts der Justizministerin mahnt die Rechtsanwaltschaft zur Vorsicht. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) hält diesen Vorschlag für ebenso verfehlt wie die damit verbundene Idee zur Schaffung eines neuen obersten Organs der Staatsanwaltschaft, eines so genannten Bundesstaatsanwaltes. „Die Bundesministerin unterliegt als Spitze der Weisungskette derzeit sowohl der Kontrolle des Parlaments, wie auch der Öffentlichkeit“, zerstreut ÖRAK-Präsident Dr. Gerhard Benn-Ibler die Furcht vor einer unkontrollierten Anklagebehörde. „Gerade in diesen Tagen wird angesichts der regen öffentlichen Debatten deutlich, dass die Justiz nicht im stillen Kämmerlein arbeitet“, so Benn-Ibler.
Ein Grundprinzip (Legalitätsprinzip) der österreichischen Bundesverfassung sieht vor, dass die gesamte Verwaltung auf Grundlage der Gesetze auszuüben ist. An der Spitze der Verantwortlichkeit steht die Person der Bundesministerin, die wiederum selbst dem Parlament jederzeit Rede und Antwort stehen muss, sowie durch dieses abgesetzt und unter Anklage gestellt werden kann. Diese Verantwortlichkeit setzt voraus, dass die Bundesministerin die Möglichkeit hat, etwa durch Weisungen oder Erlässe Einfluss auf die Anklagebehörde zu nehmen. Dies bedeutet einerseits, dass sie Vorhaben der Staatsanwaltschaft genehmigen, also die Verfolgung eines Bürgers anordnen, andererseits aber auch eine solche Verfolgung hintanhalten kann. In beiden Fällen hat die Bundesministerin die Rechtsordnung zu beachten, also für eine berechtigte Verfolgung zu sorgen, aber auch eine unberechtigte – etwa weil die Verdachtsmomente nicht ausreichen – hintanzuhalten. „Weisungen sind daher in erster Linie nicht als unmoralische Einmischungen, sondern als Werkzeug zur Sicherstellung einer rechtlich einheitlichen Linie innerhalb der Anklagebehörde zu verstehen“, erklärt Benn-Ibler.
Die Verlagerung des Weisungsrechts weg von der Bundesministerin hin zu einem neu zu schaffenden, unabhängigen Generalstaatsanwalt würde dieses System durchbrechen und gleichzeitig vor neue Probleme stellen, die bereits bei der personellen Besetzung anfangen. Dass diesem Bundesstaatsanwalt in seiner Letztverantwortung auch die Dienstaufsicht über Staatsanwälte inklusive Besetzungsrecht zustehen müsste, zeigt auf, dass in einer nicht zu verantwortenden Breite das Legalitätsprinzip durchlöchert wäre. „Selbst wenn dieser Bundesstaatsanwalt durch Berichtspflichten der Kontrolle des Parlaments unterstellt werden sollte, würde seine Tätigkeit in weitaus geringerem Maße unter der Kontrolle der Öffentlichkeit stehen, als die der Bundesministerin“, so Benn-Ibler. Die auch politisch verantwortliche Ministerin steht im täglichen Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit und ist neben dem Parlament auch jenen gegenüber verantwortlich, die sie berufen haben, letztlich also den Bürgern. Ein verbessertes Berichtswesen zur Stärkung der parlamentarischen Kontrollinstrumente wäre daher in diesem Zusammenhang das klar besser geeignete Instrument, als die problematische Schaffung eines neuen Organs.
„Die Abkehr vom Weisungsrecht der Justizministerin, und damit gleichzeitig vom in der Verfassung verankerten Legalitätsprinzip ist abzulehnen“, fasst Benn-Ibler zusammen, „eine Stärkung der Kontrolle durch die Verbesserung des Berichtswesens gegenüber dem Parlament hingegen zu begrüßen“.
In Österreich gibt es 5400 Rechtsanwälte, rund siebzehn Prozent davon sind Frauen. Rechtsanwälte sind bestausgebildete und unabhängige Rechtsvertreter und -berater, die nur ihren Klienten verpflichtet und verantwortlich sind. Primäre Aufgabe ist der Schutz, die Verteidigung und die Durchsetzung der Rechte Einzelner. Dritten gegenüber sind Rechtsanwälte zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet, womit auch eine völlige Unabhängigkeit vom Staat gewährleistet wird. Vertreten werden die Rechtsanwälte durch die Rechtsanwaltskammern in den Bundesländern sowie durch den Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, ÖRAK, mit Sitz in Wien.
Rückfragehinweis:
Österreichischer Rechtsanwaltskammertag,
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