Utl.: ÖRAK-Präsident Benn-Ibler spricht von Anlassgesetzgebung, die sich als Mogelpackung entpuppt
Morgen, Freitag, endet die Begutachtungsfrist für das sogenannten „Strafrechtliche Kompetenzpaket“, das unter anderem die Einführung so genannter „Wirtschaftskompetenzzentren“ am Sitz der 4 Oberlandesgerichte vorsieht. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) lehnt diese Pläne in seiner von RA Dr. Wolfgang Moringer vorbereiteten Stellungnahme als klassische Anlassgesetzgebung und grundsätzlichen Eingriff in die gegebene und bewährte Gerichtsorganisation ab.
Die von der Politik mit der Einrichtung solcher „Wirtschaftskomptenzzentren“ verknüpften Erwartungen, würden mit Sicherheit nicht erfüllt, warnt ÖRAK-Präsident Dr. Gerhard Benn-Ibler vor falschen Hoffnungen. Ein solches „Kompetenzzentrum“ einzurichten, indem man bereits vorhandene Kapazitäten an einem Ort bündle, führe keineswegs zu einer Erhöhung der Kompetenz, als vielmehr zu einer Erhöhung der Konzentration. Dies sei der falsche Ansatz, so Benn-Ibler, der in diesem Zusammenhang von einer Mogelpackung spricht. Wesentlich besser sei es, die notwendige Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten auf breiter Basis zu forcieren. „Kompetenz muss überall dort angesiedelt sein, wo Recht gesprochen und verfolgt wird“, erklärt Benn-Ibler, „Das gelingt nur über eine generelle Verbesserung der Aus- und Fortbildung, und zwar an allen Gerichtshöfen erster Instanz“.
Zwtl.: Zwei-Klassen-Justiz befürchtet; Erforderliche Kompetenz darf nicht von der Schadenshöhe abhängen
Darüber hinaus würden durch die Einrichtung solcher „Kompetenzzentren“ zwangsläufig zwei Klassen von Gerichten und Staatsanwaltschaften entstehen – „kompetente“ und „inkompetente“. Die dabei gezogene Trennlinie ist alles andere als sachgerecht. Geplant ist, Schäden ab einer Größenordnung von 5 Millionen Euro in die Zuständigkeit der neuen „Kompetenzzentren“ zu übertragen. Dass sich die erforderliche Kompetenz dabei an der Höhe des Schadens orientiert ist aus Sicht der Rechtsanwaltschaft nicht nachvollziehbar. „Die erforderliche fachliche Qualifikation muss bei der Aufklärung aller Eigentumsdelikte gegeben sein, unabhängig von der Schadenshöhe“, fordert der ÖRAK-Präsident.
Zwtl.: Erhebliche Komplikation der Ermittlungstätigkeit; Zugang zum Recht erschwert
Die Einrichtung solcher „Kompetenzzentren“ würde zudem zu einer erheblichen Komplikation der Ermittlungstätigkeit führen. „Die Staatsanwaltschaft kann ihre Ermittlungsbefugnis tatsächlich nur dann wahrnehmen, wenn sie auch vor Ort ist. Dies wäre jedoch nach den vorliegenden Plänen nicht möglich“, so Benn-Ibler. Zum Beispiel müßten die Ermittlungen zu einem aktuellen Kärntner Großschadensfall demnach in Zukunft von Graz aus geführt werden. Eine unmittelbare Zusammenarbeit mit den Behörden vor Ort (Polizei etc) wäre dadurch massiv erschwert.
Außerdem wäre mit der Schaffung solcher „Kompetenzzentren“ eine erhebliche Erschwerung des Zugangs zum Recht verbunden. Für alle Handlungen wäre eine kostenintensive Anreise zum Sitz des jeweiligen „Kompetenzzentrums“ notwendig. „Nicht nur für Beschuldigte, auch für Opfer und Privatbeteiligte käme es dadurch zu einem wesentlich höheren Aufwand bei der Wahrnehmung ihrer Rechte“, warnt Benn-Ibler abschließend.
Die ausführliche ÖRAK-Stellungnahme zum „Strafrechtlichen Kompetenzpaket“ ist unter www.rechtsanwaelte.at (Menüpunkt „Stellungnahmen“) online abrufbar.
In Österreich gibt es 5600 Rechtsanwälte und 1800 Rechtsanwaltsanwärter. Rechtsanwälte sind bestausgebildete und unabhängige Rechtsvertreter und -berater, die nur ihren Klienten verpflichtet und verantwortlich sind. Primäre Aufgabe ist der Schutz, die Verteidigung und die Durchsetzung der Rechte Einzelner. Dritten gegenüber sind Rechtsanwälte zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet, womit auch eine völlige Unabhängigkeit vom Staat gewährleistet wird. Vertreten werden die Rechtsanwälte durch die Rechtsanwaltskammern in den Bundesländern sowie durch den Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, ÖRAK, mit Sitz in Wien.
Rückfragehinweis:
Österreichischer Rechtsanwaltskammertag,
Bernhard Hruschka Bakk., Tel.: 01/535 12 75-15
hruschka@oerak.at, www.rechtsanwaelte.at