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Präsentation des 34. Wahrnehmungsberichtes zur österreichischen Rechtspflege und Verwaltung

Dem gesetzlichen Auftrag folgend legt der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) den 34. Wahrnehmungsbericht vor. Der jährliche Wahrnehmungsbericht dient dazu, Mängel in der Rechtspflege und Verwaltung aufzuzeigen und Verbesserungen vorzuschlagen.

Auch diesmal ist wieder ein umfangreicher Bericht entstanden. Wie bereits in den vergangenen Jahren beschäftigt sich der ÖRAK nicht nur mit innerstaatlichen sondern auch mit Problemen auf europäischer Ebene.

Informationsbeschaffung durch die Europäische Kommission Die Europäische Kommission spielt durch ihr Vorschlagsrecht und die Überwachung der Ausführung der europäischen Politik eine zentrale Rolle im institutionellen Gefüge der Europäischen Union. In dieser Position hat sie zweifellos schwierige politische Entscheidungen zu treffen. Zur Beantwortung dieser Fragen, aber auch zur Evaluierung möglicher Auswirkungen ihrer Vorhaben oder zur Aufbereitung und Darstellung komplexer Sachverhalte greift die Kommission deshalb vermehrt auf wissenschaftliche Bewertungen von außerhalb zurück.

Dies führt mitunter dazu, dass Experten, welche die Studien im Auftrag der Kommission erstellen, sich oft auf unbekannt bleibende Informantennetzwerke stützen. Ebenso bleibt der Adressatenkreis diverser Fragebögen unbekannt. Deswegen sind fragwürdige Ergebnisse einer fertig gestellten Studie schwer zu beseitigen, da dieser nicht zu entnehmen ist, woher die Informationen stammen und auf welcher Grundlage ihre Bewertung vorgenommen wurde. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag fordert den Erlass transparenter und öffentlich zugänglicher Vorgaben für die Informationsbeschaffung und -bewertung durch externe Spezialisten.
(siehe Wahrnehmungsbericht Seite 8)

Asylgerichtshof
Die Bundesregierung hat im Rahmen der Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes beschlossen, einen Asylgerichtshof einzurichten. Vorgesehen ist, dass die Mitglieder des Asylgerichtshofes zwar mit richterlichen Garantien ausgestattet werden, aber eine richterliche Ausbildung keine Ernennungsvoraussetzung ist. Das bedeutet, dass sie weder eine Richteramtsprüfung abgelegt haben, noch über richterliche Erfahrung verfügen müssen.

Der Asylgerichtshof soll Berufungsinstanz in Asylangelegenheiten sein. Gegen Entscheidungen des Asylgerichtshofes ist allerdings kein ordentliches Rechtsmittel vorgesehen. Der Rechtsschutz der Asylwerber wird dadurch wesentlich beschränkt. Im Falle einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung steht dem Asylwerber kein Rechtsmittel zur Verfügung, um eine Überprüfung durch den VwGH zu beantragen. Der Asylgerichtshof ist zwar verpflichtet, solche Grundsatzentscheidungen dem VwGH vorzulegen, falls dieser jedoch nicht binnen sechs Monaten entscheidet, gilt die Grundsatzentscheidung als bestätigt. Einmal getroffene Grundsatzentscheidungen sind nicht mehr beseitigbar und die gelöste Rechtsfrage ist für alle zukünftigen Fälle verbindlich.

Offen bleiben die Fragen nach der Anwaltspflicht – bei einem Gerichtshofverfahren wohl selbstverständlich – und der Verfahrenshilfe. Diese werden dem einfachen Gesetzgeber überlassen, ebenso wie die Frage des Kostenersatzes.

Weitere Kritik des ÖRAK ist, dass der Entwurf nur wenige Tage vor seiner Beschlussfassung im Ministerrat ausverhandelt wurde und keinerlei Begutachtungsverfahren stattfand und dass die sich erhebenden mahnenden Stimmen bisher nicht gehört worden sind.

„Das war nicht die Verfahrensbeschleunigung, über die immer wieder gesprochen wurde. Verfahrensbeschleunigung durch Abschneiden von Rechtsmitteln ist leicht, löst aber das Problem nicht“, meint Benn-Ibler abschließend. Der Präsident des ÖRAK befürchtet, dass hier unsere gelebte Rechtsstaatlichkeit Schaden nimmt.
(siehe Wahrnehmungsbericht Seite 40)

Hürden bei Gerichtsverfahren
Der Ablauf gerichtlicher Verfahren ist für den Bürger oft schwer nachzuvollziehen. Nicht verständlich ist beispielsweise, dass Gerichte verärgert reagieren, wenn über vergleichsweise nur geringe Geldbeträge verhandelt werden soll. Den Parteien wird angeboten, sofort einen Vergleich zu schließen, ansonsten würde das Verfahren in die Länge gezogen werden (siehe Wahrnehmungsbericht Seite 22). In einem anderen Fall wurde eine Zeugin aus Wien nach Graz geladen und dann nicht einmal vernommen
(Seite 30).
Häufiger Kritikpunkt ist die Unverständlichkeit von psychologischen Gutachten. Diese werden oft im familiären Bereich benötigt und handeln von sehr privaten und heiklen Themen. Gerade diese Gutachten sollten so verfasst werden, dass deren Inhalt auch für Laien verständlich und nachvollziehbar ist (Seite 25). Beschwerde wurde über den Verhandlungsstil eines Richters geführt, der bei der Einvernahme von Opfern jegliches Einfühlungsvermögen vermissen lässt und den Eindruck vermittelt, diese seien Beschuldige und nicht Zeugen (Seite 14).

Ebenso musste festgestellt werden, dass ein Scheidungsrichter unwillig ist, Scheidungsverfahren durchzuführen und lieber die Parteien nach Hause schickt, mit dem guten Rat „es noch einmal zu probieren“. Die Folge dessen ist – wie vorauszusehen war - nicht die Versöhnung der Ehegatten, sondern deren Ausweichen auf ein anderes Gericht.

Der Wahrnehmungsbericht wird heute dem Bundesministerium für Justiz und anderen relevanten Stellen übermittelt und steht ab sofort unter www.rechtsanwaelte.at zur Verfügung. (Menüpunkt Stellungnahmen/Wahrnehmungsbericht)

 

In Österreich gibt es 5000 Rechtsanwälte, rund fünfzehn Prozent davon sind Frauen. Rechtsanwälte sind bestausgebildete und unabhängige Rechtsvertreter und -berater, die nur ihren Klienten verpflichtet und verantwortlich sind. Primäre Aufgabe ist der Schutz, die Verteidigung und die Durchsetzung der Rechte Einzelner. Dritten gegenüber sind Rechtsanwälte zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet, womit auch eine völlige Unabhängigkeit vom Staat gewährleistet wird. Vertreten werden die Rechtsanwälte durch die Rechtsanwaltskammern in den Bundesländern sowie durch den Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, ÖRAK, mit Sitz in Wien.

Rückfragenhinweis:
ÖRAK, Öffentlichkeitsarbeit, Mag. Julia Kent, Tel. 01 / 535 12 75- 15, kent@oerak.at

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