Bereits zum 43. Mal lädt der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) heute, Freitag, zur „Europäischen Präsidentenkonferenz“ nach Wien. Was im Jahr 1973 als Überbrückung des Eisernen Vorhangs und Austausch zwischen Ost und West begann, ist über 40 Jahre später zu einem bedeutenden Faktor der europäischen Justizpolitik angewachsen: ein europaweit anerkannter „Think Tank“ aus 200 Spitzenvertretern der Anwaltschaft und Justiz aus knapp 40 Ländern, dem es bereits einige Male gelungen ist, wichtige Impulse in der Rechtsentwicklung zu setzen.
Tagungsthema „Macht schafft Recht?“ soll rechtspolitischen Diskurs anregen
ÖRAK-Präsident Dr. Rupert Wolff weist als Gastgeber und Vorsitzender der Konferenz auf die besondere Aktualität und die politische Dimension der diesjährigen Veranstaltung hin: „Es ist uns heuer in besonderem Maße gelungen, ein Thema aufzugreifen, das in seinen unterschiedlichen Aspekten alle Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa beschäftigt: der Zusammenhang zwischen Macht und Recht“.
Die politischen Gespräche im Rahmen der Europäischen Präsidentenkonferenz sind gerade in diesem Jahr aufgrund des aktuellen Themas und der hochkarätigen Referenten einer der wichtigsten Aspekte des Symposiums. Empfänge beim Bundespräsidenten, im Bundeskanzleramt und beim Bundesminister für Justiz bieten Gelegenheit zum Austausch und sind Zeichen des hohen Stellenwerts dieser in Europa einzigartigen Tagung.
„Wir wollen den rechtspolitischen Diskurs anregen, wir wollen Probleme in der europäischen Rechtsentwicklungen aufzeigen, wir wollen mit Experten Lösungsmöglichkeiten für diese Probleme erarbeiten und wir wollen der Politik von unseren Ergebnissen zeitnah berichten“, beschreibt Wolff die Wirkungsweise der Konferenz.
Ukrainekonflikt und strafrechtliche „Deals“ im Mittelpunkt des Diskurses
Das Thema der diesjährigen Tagung, „Macht schafft Recht?“, hat in den letzten Monaten in mehrerlei Hinsicht besondere Aktualität erlangt. Im Rahmen der Konferenz sollen daher unterschiedliche Aspekte beleuchtet werden. „Nicht zuletzt die Entwicklungen im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland haben uns dazu bewogen, dieses Tagungsthema zu wählen“, erklärt Wolff im Zuge der Eröffnung des Symposiums, das auch heuer wieder im Wiener Palais Ferstel stattfindet.
Insbesondere die Frage, wie sich die Situation in der Ukraine darstelle und was getan werden könne, um dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen, stehe im Mittelpunkt, so Wolff. Aber auch: Kann ein funktionierendes Rechtssystem ein Freikaufen aus einem Strafverfahren dulden? „Fragen, auf die im Rahmen der Konferenz Antworten gefunden werden sollen“, hofft Wolff.
Hochkarätige, internationale Referenten – Jourová, Krawtschuk, Ratz, Nowak, von Máriássy
Věra Jourová, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichheit der Geschlechter, wird die Konferenz durch ihr Impulsreferat eröffnen und sich dabei dem Tagungsthema insbesondere aus europäischer Perspektive nähern. „Unter welchen Einflüssen steht die Rechtsetzung in Europa? Wie kann es angesichts aktueller Bedrohungsszenarien gelingen, Recht insbesondere vor militärischer Macht und Terrorismus zu schützen ohne dabei gleichzeitig in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger einzugreifen? Fragen, die uns alle bewegen und die wir diskutieren werden“, so Rechtsanwälte-Präsident Wolff.
Leonid Krawtschuk, erster demokratisch gewählter Staatspräsident der Ukraine, wird als profunder Kenner der politischen Situation in der Ukraine auf einen wesentlichen Aspekt der diesjährigen Tagung eingehen: Rechtschaffung durch die Schaffung von Tatsachen, etwa am Beispiel der Krim, sowie der damit einhergehenden Probleme. Auch Univ.-Prof. Dr. Manfred Nowak, Experte für Völkerrecht und ehem. UNO-Sonderberichterstatter über Folter und andere grausame, unmenschliche, oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, wird sich in seinem Referat mit der Situation in der Ukraine aus völkerrechtlicher Perspektive befassen.
Der Deal mit der Justiz. Eine rechtsstaatlich bedenkliche Entwicklung im Fokus.
OGH-Präsident Hon-Prof. Dr. Eckart Ratz und Andreas von Máriássy, Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer München, werden in ihren Beiträgen das Thema „Macht schafft Recht?“ in strafrechtlicher Hinsicht beleuchten. Anhand aktueller Beispiele (Stichwort Fall „Ecclestone“) sollen sogenannte „Deals“ unter die rechtsstaatliche Lupe genommen werden. Ob derartige Regelungen im Sinne der Rechtsstaatlichkeit sind, welche diesbezüglichen Regelungen in Europa bestehen und welche Erfahrungen damit gemacht wurden, soll im Rahmen der Konferenz diskutiert werden.
Informationen zur Europäischen Präsidentenkonferenz sind unter www.e-p-k.at abrufbar.