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Finanzstrafgesetz-Novelle: Rechtsanwälte üben heftige Kritik an überzogenen Regelungen

Benn-Ibler: „Der Entwurf des Finanzministeriums ist rechtsstaatlich höchst bedenklich und daher abzulehnen!“

Zum morgigen Ende der Begutachtungsfrist übt der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) in seiner von RA Dr. Wolfgang Moringer vorbereiteten Stellungnahme heftige Kritik an dem von Finanzminister DI Josef Pröll erst kürzlich unter dem Motto „Jagd auf Steuersünder“ vorgestellten Maßnahmenpaket. Neben der für eine solch weitreichende gesetzliche Adaptierung viel zu kurzen Begutachtungsfrist von zwei Wochen, gibt es vor allem inhaltlich einiges, das man als überschießend, undurchdacht oder unstimmig mit der österreichischen Strafrechtstradition bemängeln muss.

„Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt und daher auch entsprechend zu sanktionieren. Gegen eine Anpassung der Regelungen an jene im Strafgesetzbuch wäre daher auch nichts einzuwenden“, so der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltkammertages Dr. Gerhard Benn-Ibler. „Die vorliegenden Pläne gehen mit völlig überzogenen Strafdrohungen aber empfindlich über die im StGB für Eigentumsdelikte vorgesehenen Sanktionen hinaus und erweisen sich insgesamt als ganz und gar unstimmig im strafrechtlichen Gefüge.“

Zwtl.: Zwingende Verknüpfung von Freiheitsstrafe und Geldstrafe überschießend und inakzeptabel

Künftig soll zwischen Abgabenhinterziehung und Abgabenbetrug unterschieden werden. Abgabenhinterziehungen ab 100.000 Euro sollen primär mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren und zusätzlich einer Geldstrafe von bis zu zwei Mio. Euro geahndet werden. Für Abgabenbetrug winken ein bis zehn Jahre Haft sowie eine möglich Geldstrafe von bis zu zwei Mio. Euro. „Die Freiheitsstrafe als Primärstrafe einzuführen, und diese für ein und denselben Tatbestand dann auch noch zwingend mit einer Geldstrafe zu verknüpfen, ist überschießend, unsachlich und nicht im Einklang mit dem heimischen Strafrecht“, kritisiert Benn-Ibler diese Regelung als „inakzeptabel“. Auch die vorgesehen Höchststrafen sind nach Ansicht des ÖRAK-Präsidenten völlig unangemessen. Bei den Sanktionen und Strafzumessungsgründen sehen die Rechtsanwälte ebenso Verbesserungsbedarf. „Im vorliegenden Entwurf werden die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters nicht in dem Maße berücksichtigt, wie dies im StGB der Fall ist“, so Benn-Ibler, „dies ist nicht nachvollziehbar.“

Zwtl.: Finanzvergehen als Geldwäschetatbestand: unzulässiger Eingriff in die anwaltliche Verschwiegenheit

Darüber hinaus sollen bestimmte Finanzvergehen künftig explizit als Verbrechen gelten und somit als Vortaten zur Geldwäscherei angesehen werden. Dazu zählen sowohl der neu geschaffene Abgabenbetrug, dessen Qualifikationskriterien jedoch viel zu weit gefasst sind, als auch bereits bestimmte Formen der Abgabenhinterziehung (zB gewerbsmäßige Abgabenhinterziehung). Die Konstruktion dieser Finanzvergehen als Geldwäschetatbestand wäre nicht nur aus strafrechtlicher Sicht völlig ausufernd. Der Gesetzgeber würde damit auch das Bankgeheimnis durchbrechen und unzulässig in die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwaltes eingreifen. „Ein weiterer Versuch, das grundrechtsgleiche Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandat zu untergraben“, stellt sich Benn-Ibler entschieden gegen einen nächsten Schritt in diese rechtsstaatlich höchst bedenkliche Richtung.

Zwtl.: Ausweitung der Beraterhaftung macht verantwortungsvolle Beratung unmöglich

Der Plan, die Beratung durch Rechtsanwälte, Wirtschaftstreuhänder oder Notare in Steuersachen künftig noch strengeren Regeln zu unterwerfen macht eine verantwortungsvolle Berufsausübung im Interesse der rechtsuchenden Bürger praktisch unmöglich. Die strafrechtliche Haftung dieser Berufe beschränkt sich seit 35 Jahren auf schwer schuldhaftes Verhalten. „Das sogenannte Beraterprivileg schützt den Beratenen“, erklärt ÖRAK-Präsident Benn-Ibler den Hintergrund dieser bewährten Regelung. Ziel sei es schließlich, den Bürger umfassend und bestmöglich zu beraten. Dies sei gerade in einem weiten und hoch komplexen Gebiet wie dem Steuerrecht keine einfache Übung.

Eine Ausweitung der Haftung auf leichte Fahrlässigkeit würde das Beratungs-Spektrum auf einen engen Bereich des absolut Sicheren reduzieren und damit die Qualität massiv negativ beeinträchtigen. „Tritt bei der Interpretation einer Rechtslage ein Irrtum auf, stünde der Berater bereits mit einem Bein im Kriminal“, verdeutlicht Benn-Ibler die weitreichenden Folgen. „Gerade die Zahl der Behördenirrtümer, die erst im Rechtsmittelverfahren korrigiert werden können, zeigt deutlich, wie leicht man in Steuersachen tatsächlich irren kann. Den Berater unter eine andere Verantwortung zu stellen als die Finanzbehörde, verletzt die Waffengleichheit und macht eine verantwortungsvolle Beratung des Klienten geradezu unmöglich", so Benn-Ibler weiter. Einen Rechtsanwalt grundsätzlich zu verdächtigen, seinen Mandanten zu Steuerbetrug zu ermutigen und anzuleiten, sei infam, die geplante Einschränkung des bewährten Beraterprivilegs daher nicht nur ein Angriff auf die Beratungsqualität sondern auch gleichzeitig eine Respektlosigkeit gegenüber den beratenden Berufen, so Benn-Ibler.

Zwtl.: Abgabenverkürzungen bis 10.000 Euro: Nichtverfolgung nur bei Rechtsmittelverzicht schafft nötigende Zwangslagen

Bei geringfügigen Abgabenverkürzungen bis zu einem Betrag von 10.000 Euro sieht die Behörde in Zukunft von einem Finanzstrafverfahren ab. Im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens muss der Betroffene lediglich seine Steuerschuld sowie zusätzlich maximal zehn Prozent des geschuldeten Betrages begleichen. Dies wäre grundsätzlich auch zu begrüßen, als Voraussetzung ist jedoch der Verzicht auf ein Rechtsmittel vorgesehen. „Die Nichtverfolgung davon abhängig zu machen, ob im Prüfungsverfahren ein Rechtsmittelverzicht abgegeben wird, ist unsachlich und schafft nötigende Zwangslagen“, so Benn-Ibler, „der Zweck der Verkürzung von Verwaltungsabläufen heiligt auch in diesem Zusammenhang nicht die Mittel“.

Insgesamt ist der Entwurf aus Sicht der Rechtsanwaltschaft rechtsstaatlich höchst bedenklich und daher abzulehen. „Im Interesse des Rechtsstaates und der Bürger hoffe ich, dass die Kritik zahlreicher Experten von den Verantwortlichen ernst genommen wird, und der Entwurf unter Einbeziehung der betroffenen Berufsgruppen einer großflächigen Überarbeitung unterzogen wird“, so Benn-Ibler abschließend.

Die ÖRAK-Stellungnahme zur Finanzstrafgesetz-Novelle 2010 ist unter www.rechtsanwaelte.at (Menüpunkt „Stellungnahmen“) online abrufbar.

In Österreich gibt es 5500 Rechtsanwälte und 1800 Rechtsanwaltsanwärter. Rechtsanwälte sind bestausgebildete und unabhängige Rechtsvertreter und -berater, die nur ihren Klienten verpflichtet und verantwortlich sind. Primäre Aufgabe ist der Schutz, die Verteidigung und die Durchsetzung der Rechte Einzelner. Dritten gegenüber sind Rechtsanwälte zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet, womit auch eine völlige Unabhängigkeit vom Staat gewährleistet wird. Vertreten werden die Rechtsanwälte durch die Rechtsanwaltskammern in den Bundesländern sowie durch den Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, ÖRAK, mit Sitz in Wien.

Rückfragehinweis:
Österreichischer Rechtsanwaltskammertag,
Bernhard Hruschka Bakk., Tel.: 01/535 12 75-15
hruschka@oerak.at, www.rechtsanwaelte.at

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