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Anwaltstag: Rechtsanwälte leisteten 2014 Verfahrenshilfe im Wert von 38 Mio Euro

ÖRAK legt Tätigkeitsbericht vor: 40.000 Bürger unentgeltlich vertreten oder beraten; 179 Gesetzes- und Verordnungsentwürfe begutachtet; Forderung nach Inflationsanpassung des Rechtsanwaltstarifs

Auch in diesem Jahr legt der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) im Rahmen seiner jährlichen Fachtagung, dem Anwaltstag, seinen Tätigkeitsbericht vor - eine 52-Seiten starke Leistungs- und Sozialbilanz der österreichischen Rechtsanwälte. Und wieder kann der Bericht mit beeindruckenden Zahlen aufwarten. Rund 40.000 Bürger wurden im Vorjahr von den 5.940 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten (Stand per 31.12.2014) unentgeltlich vertreten oder beraten. „Diese enorme Zahl steht symbolisch für den Einsatz der Rechtsanwälte zum Erhalt und Ausbau unseres Rechtsstaates“, erklärte ÖRAK-Präsident Rupert Wolff anlässlich der heutigen Eröffnung des Anwaltstages in Feldkirch vor über 200 Gästen – darunter Justizminister Wolfgang Brandstetter und sein Liechtensteiner Amtskollege Thomas Zwiefelhofer.

22.213 Verfahrenshilfen, 18.000 „Erste Anwaltliche Auskünfte“, diverse weitere Serviceleistungen

Im Jahr 2014 erfolgten österreichweit 22.213 Bestellungen von Rechtsanwälten zu Verfahrenshelfern (15.253 in Strafsachen, 6.960 in Zivilsachen). Der Wert der dabei für die Betroffenen unentgeltlich erbrachten Leistungen betrug knapp 38 Millionen Euro. Im Rahmen der „Ersten Anwaltlichen Auskunft“ erhielten über 18.000 Bürger kostenlos anwaltlichen Rat – ein Service, das sich steigender Beliebtheit erfreut. Der unter 0800 376 386 rund um die Uhr erreichbare „Festnahme Notruf“ verzeichnete seit 2008 ca. 3.000 Kontaktaufnahmen. Geleistet wurden außerdem zahlreiche kostenlose Verbrechensopferberatungen und Vertretungen von minderjährigen Gewalt- und Missbrauchsopfern. Insgesamt sei eine steigende Nachfrage auszumachen, so Wolff. „Die Sozial- und Serviceleistungen der Rechtsanwaltschaft stellen einen ganz entscheidenden Beitrag zur Wahrung des Rechtsfriedens dar, denn andernfalls wären 40.000 Bürgerinnen und Bürger im Jahr 2014 ohne Rechtsbeistand sich selbst überlassen worden“.

179 Gesetzes- und Verordnungsentwürfe begutachtet; Kritik an kurzen Begutachtungsfristen; Forderung nach Mindeststandards im Gesetzgebungsverfahren

Eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr ist auch bei der Anzahl der vom ÖRAK begutachteten Gesetzes- und Verordnungsentwürfe festzustellen. Waren es 2013 noch 136 Entwürfe, wurden im aktuellen Berichtszeitraum beachtliche 179 Entwürfe unter die Lupe genommen. Kritik gibt es insbesondere an den meist viel zu kurzen Begutachtungsfristen und dem Gesetzgebungsverfahren an sich. „Die Empfehlung des Bundeskanzleramtes, eine mindestens sechswöchige Begutachtungsfrist vorzusehen, wurde lediglich in knapp 25 Prozent der Fälle tatsächlich eingehalten“, machte Wolff deutlich. In manchen Fällen standen nicht einmal zwei Wochen zur Verfügung. Wolff: „Wir fordern mit Nachdruck die Einführung von Mindeststandards im Gesetzgebungsverfahren. Ziel ist ein transparentes Verfahren zur Sicherstellung der Qualität und Verständlichkeit der Gesetze.“

Wolff fordert sofortige Inflationsanpassung des Rechtanwaltstarifs

Vehement fordern die Rechtsanwälte die sofortige Inflationsanpassung des gesetzlichen Rechtsanwaltstarifs, wie in § 25 Rechtsanwaltstarifgesetz vorgesehen. „Die Geldentwertung seit der letzten Anpassung im Jahr 2008 beträgt bereits über 15 Prozent“, so Wolff, und, an den Justizminister gewandt, „Sie wissen, dass unsere Forderung nach einer Anpassung des Tarifs berechtigt ist und vor allem dringend notwendig“. Die Rechtsanwälte seien ein wesentlicher Faktor für den Erhalt und die Pflege des Rechtsstaates. Dies werde nicht zuletzt durch die umfangreichen und für die Betroffenen unentgeltlichen Sozial- und Serviceleistungen belegt. Grundlage dafür seien Kompetenz, Berufsethos und die anwaltliche Unabhängigkeit. „Zentrale Voraussetzung für unsere Unabhängigkeit ist auch die finanzielle Unabhängigkeit. Daher fordere ich hier rasche Maßnahmen der Politik. Die Maßnahmen, den Rechtsanwaltstarif endlich anzugleichen und eine automatische jährliche Inflationsanpassung. Das wäre ein wesentliches Bekenntnis der Politik zur Unabhängigkeit der Anwaltschaft“, appellierte Wolff.

Aussetzung der „Ersten Anwaltlichen Auskunft“ beabsichtigt

Als erste Protestmaßnahme kündigte Wolff an, in den internen Gremien die Aussetzung der kostenlosen „Ersten Anwaltlichen Auskunft“ in den Rechtsanwaltskammern vorzuschlagen. „Wir wissen, dass dies die rechtsuchende Bevölkerung belasten kann, aber auch die Amtstage der Gerichte“, so Wolff. Zu bedenken sei jedoch, dass auch die Entwertung des Tarifs zu Lasten der Bevölkerung erfolge. „Der Kostenersatzanspruch, der sich nach dem Tarif bemisst, ist ein Anspruch der obsiegenden Prozesspartei, also des Bürgers. Wer 2008 noch 5.000 Euro an Kostenersatz vom Gericht zugesprochen bekam, bekommt heute an realem Wert nur noch 4.200 Euro“, machte Wolff deutlich. In anderen Berufen sei es undenkbar, die Tarife über einen Zeitraum von sieben Jahren nicht an die Inflation anzupassen. Dass gerade die Rechtsanwaltschaft, die – nicht zuletzt auch unentgeltlich – einen wesentlichen Beitrag für den Rechtsfrieden und die Rechtsstaatlichkeit in Österreich leiste, jahrelang von der Politik hingehalten werde, sei erbärmlich, so Wolff. „Ich hoffe nicht, dass dies in der Funktion des kritischen Beobachters und Mahners begründet ist, die wir Rechtsanwälte in unserem Land wahrnehmen. Dieser Aufgabe werden wir nämlich auch weiterhin mit Engagement nachkommen“, machte Wolff deutlich. Eine unabhängige Rechtsanwaltschaft bedeute eben auch eine – für die Politik – manchmal unbequeme Rechtsanwaltschaft.

Ausführlicher Statistikteil: 5.940 Rechtsanwälte und 2.072 Rechtsanwaltsanwärter in Österreich; höchste Rechtsanwaltsdichte in Innsbruck; Frauenanteil wächst rasant;  

Ein ausführlicher Statistikteil rundet den Tätigkeitsbericht in bewährter Weise ab. Den aktuellen Daten ist zu entnehmen, dass die Anzahl der eingetragenen Rechtsanwälte in Österreich kontinuierlich wächst. Von 4.332 im Jahr 2002 auf mittlerweile 5.940 zum Jahresende 2014. Die höchste Rechtsanwaltsdichte unter den Landeshauptstädten weist Innsbruck auf, mit 2,6 Rechtsanwälten pro 1.000 Einwohner – die Bundeshauptstadt Wien kommt hingegen mit 2.788 Rechtsanwälten auf 1,55 Rechtsanwälte pro 1.000 Einwohner.

Die Anzahl der Rechtsanwaltsanwärter in Österreich (2.072) steigt nur leicht, wobei hier Wien mit 1.212 Rechtsanwaltsanwärtern klar heraussticht. Besonders erfreulich ist, dass auch der Frauenanteil unter den heimischen Rechtsanwälten kontinuierlich steigt. Im Jahr 2002 betrug dieser österreichweit noch 12,03 Prozent und hat sich mittlerweile auf 20,37 Prozent beinahe verdoppelt. „Eine erfreuliche Entwicklung, die wir seitens der Standesvertretung durch Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Rechtsanwaltsberuf und Familie weiter fördern“, so Wolff.

Anwaltstag 2015: Umfangreiches Programm und hochkarätige Gäste

Der dieses Jahr im Feldkircher Montforthaus stattfindende Anwaltstag zog über 200 Gäste, darunter Spitzenvertreter aus Justiz, Politik und Wirtschaft, an, die ein umfangreiches Programm absolvieren. Zur festlichen Eröffnung konnte Gastgeberin Birgitt Breinbauer, Präsidentin der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer, unter anderen Justizminister Wolfgang Brandstetter, den stellvertretenden Regierungschef Liechtensteins Thomas Zwiefelhofer, Landesrätin Bernadette Mennel, Bürgermeister Wilfried Berchtold, den Präsidenten der Liechtensteinischen Rechtsanwaltskammer Stefan Ritter sowie die beiden Festredner Michael Köhlmeier und Konrad Paul Liessmann begrüßen. Am Nachmittag steht eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zur Strafrechtsreform 2015 auf der Agenda.  


Der ÖRAK-Tätigkeitsbericht 2015 steht ab sofort unter http://www.rechtsanwaelte.at/kammer/stellungnahmen/taetigkeitsbericht/ zum Download bereit. Informationen zum Anwaltstag 2015 in Feldkirch sind online unter www.anwaltstag.at abrufbar.

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