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Anwaltstag: Rechtsanwälte für bürgernahe Justiz, gegen Vorratsdatenspeicherung

Justizpolitischer Diskurs, standespolitische Ausrichtung und Wahl des ÖRAK-Präsidiums im Mittelpunkt der Fachtagung mit 250 Teilnehmern

Hall in Tirol ist dieser Tage Schauplatz der Jahrestagung der heimischen Rechtsanwälte, dem Anwaltstag. Ein Zusammentreffen von 250 Teilnehmern aus Justiz, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Rechtsanwaltschaft. Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK), und Markus Heis, Präsident der Tiroler Rechtsanwaltskammer, betonten in ihren Worten anlässlich der heutigen Eröffnung die Notwendigkeit gerade nicht staatlicher Elemente für den Bau eines rechtsstaatlichen Ideals.

Um den Bezug zwischen Rechtsstaat und Rechtsanwalt aber auch Rechtstaat und Bürger zu verdeutlichen, zitierte Heis den zwischen 1868 und 1872 als Universitätsprofessor in Wien tätigen Rudolf von Jhering. Dieser führte in seinem Vortrag „Der Kampf ums Recht“, wie folgt aus: „Recht ist unausgesetzte Arbeit und zwar nicht bloß der Staatsgewalt, sondern des ganzen Volkes. Jeder Einzelne, der in die Lage kommt, sein Recht behaupten zu müssen, übernimmt an dieser (…) Arbeit seinen Anteil, trägt sein Scherflein bei zur Verwirklichung der Rechtsidee auf Erden.“

Heis dazu weiter: „Nur die Bereitschaft und Befugnis jedes Einzelnen, sein Recht auch durchzusetzen, sichert das Fortbestehen des Rechtsstaates. In dieser Funktion steht der Rechtsanwalt an der Seite des Bürgers in der Mitte der Gesellschaft. Es mag sein, dass wir Rechtsanwälte Anliegen auch hartnäckig vertreten, gerade darin verwirklicht sich aber aus dem Blickpunkt einer höheren Ebene der Rechtsstaat.“

Wolff: Rechtsanwälte sind rechtsstaatlicher „Think Tank“ und „Watchdogs“ zugleich

ÖRAK-Präsident Rupert Wolff unterstrich die wichtige Funktion der Rechtsanwälte in einem demokratischen Rechtsstaat. Rechtsanwälte hätten nicht nur den gesetzlichen Auftrag, den Rechtsstaat zu beobachten und kritikwürdige Entwicklungen aufzuzeigen. Sie täten dies auch tagtäglich aus ihrem eigenen Selbstverständnis heraus. Als unabhängiger, freier Beruf, dessen Aufgabe es sei, für den Erhalt und Ausbau des Rechtsstaates einzutreten. „Wir Rechtsanwälte sind rechtsstaatlicher „Think Tank“ und „Watchdogs“ zugleich“, betonte Wolff. 

Voraussetzung dafür sei die Unabhängigkeit der Rechtsanwaltschaft. „Nur wenn wir unabhängig von staatlichem und sonstigem Einfluss bleiben, können wir stark und authentisch die Interessen der rechtsuchenden Bürger vertreten, sowohl im Gerichtssaal, als auch im politischen Diskurs“, so Wolff. „Unabhängig als Rechtsanwalt, aber auch unabhängig als Interessensvertretung“. Diese Unabhängigkeit gelte es daher zu wahren.

Wolff: Justiz muss authentisch, selbstbewusst und bürgernah sein

Warnende Worte fand Wolff in Anbetracht der Tendenz der letzten Jahre, wonach sich die Justiz „nach und nach selbst abschaffe“, so der ÖRAK-Präsident. Durch das Mandatsverfahren werde ein wichtiger Teilbereich der Strafrechtspflege abgeschafft, der Zugang zum Recht stehe unter dem Druck der Gebührenschraube. 

Außerdem seien viele Bürger mit der Sprache der Justiz schlichtweg überfordert. Bürgernah bedeute auch, in einer verständlichen Sprache mit den Bürgern zu sprechen. „Justitia soll blind sein, aber sie soll klar und deutlich sprechen. Nur wer verstanden wird, genießt das Vertrauen der Bürger. Wir Rechtsanwälte wissen das“, erklärte Wolff. „Setzen wir uns gemeinsam dafür ein, zu einer für die Allgemeinheit verständlichen Sprache zu finden. Arbeiten wir gemeinsam an verständlichen Gesetzen und Verordnungen und überarbeiten wir die Formalismen der Justiz im Zivil- und Strafverfahren aber auch jene im Verwaltungsverfahren“ so Wolff weiter.

Rechtsanwälte gegen Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung 

Um Fehler zu vermeiden, sich weiterzuentwickeln und zu verbessern, brauche es Selbstreflexion aber auch Kritik von unabhängiger Stelle. Dies gelte auch für den Rechtsstaat, so Wolff. „Wir wollen den Rechtsstaat entwickeln, wir wollen ihn aber auch vor Schaden behüten“, erklärte Wolff, „die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung wäre ein solcher Schadensfall“. Die Grundrechte der Bürger seien zu respektieren, insbesondere von der Politik und staatlichen Behörden. Der Schutz der Daten der Bürger müsse endlich ernst genommen werden. Und: Die Wiedereinführung wäre eine Respektlosigkeit gegenüber dem EuGH und dem VfGH.

Anwaltstag 2014 – Justizpolitischer Diskurs, standespolitische Ausrichtung, Wahl des ÖRAK-Präsidiums

Der diesjährige Anwaltstag steht einerseits im Zeichen der inhaltlichen Ausrichtung der anwaltlichen Standesvertretung sowie der morgigen Wahl des ÖRAK-Präsidiums, dessen dreijährige Funktionsperiode abläuft, aber auch des breiten rechtspolitischen Diskurses. 

Dazu bietet ein aufgezeichnetes Gespräch zwischen ÖRAK-Präsident Rupert Wolff und Justizminister Wolfgang Brandstetter eine aktuelle justizpolitische Bestandsaufnahme. Auch vom Festvortrag der österreichischen Richterin am Europäischen Gerichtshof, Maria Berger, sind interessante Impulse für die Veranstaltung zu erwarten. Das inhaltliche Kernstück ist schließlich eine Podiumsdiskussion mit dem Titel – „Geheimnisschutz oder schutzlos transparent?“- bei der RA Alfred Noll, Richterin Maria Wittmann-Tiwald, SC Christian Pilnacek, Universitätsprofessor Karl Weber und TT-Chefredakteur Alois Vahrner Antworten auf eine spannende Frage suchen: Wo hilft Transparenz dem Bürger, wo aber kann sie ihm und seinen Rechten schaden? 

Alle Informationen zum Anwaltstag in Hall in Tirol sind unter www.anwaltstag.at online abrufbar. 

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